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Kindermord Anno 1850 in Engelschoff - Burg am Sandwege. Abschrift aus der Gerichtszeitung. CLICK
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Bericht von Karl Jarck

Die Engelschoffer Gilde bestand bis zum Jahr 1859. Mündliche Überlieferungen gibt es nicht mehr, aber durch einen glücklichen Zufall konnte Anton Jungclaus einen schriftlichen Bericht (leider ohne Datum) überliefern, und zwar von einem Verwandten von ihm, dem Uhrmachers Karl Jarck aus Stade. Die Vorfahren von Jarck stammten aus Wasserkrug von dem später Reinekeschen Hof. (2021 Nicole Scheruhn-Frisch und Sven Frisch)

Nach Jungclaus schreibt Karl Jarck im Stader Archiv, Neue Folge, Heft 1, Seite 134:

  

Eine Gilde in Engelschoff II.

In Engelschoff bei Himmelpforten bestand bis zum Jahre 1859 eine sogenannte Gilde, der 28 Personen angehörten. Der Sage nach soll sie von 3 Nonnen gestiftet worden sein. Dann wird sie ihren Zweck aber stark geändert haben, denn ein älterer handschriftlicher Bericht erzählt folgendes:

Dieser Gilde sind in alten Zeiten mehrere Einkünfte geschenkt, damit die jungen Leute sich mal lustig machen könnten, und werden dazu ein und eine halbe Tonne Bier (Tonne = 114,5l) angeschafft, und tanzen dann die jungen Leute um einen Maibaum. Wenn die Versammlung beieinander, so wird eine Sammlung von Geld gehalten, wozu die Gilde-Leute 1 Schilling, und auswärtige, denen das Besuchen der Gilde freisteht, 4 Schillinge geben müssen. Für das aufkommende Geld wird Branntwein und Bier angeschafft.

Zur Erhaltung der Ordnung bei dieser Versammlung wird ein Altermann gewählt, und dann noch 4 Männer, welche Friedebürgen heißen, damit alles in Frieden zugeht und kein Streit entsteht.

Die Gilde fängt nachmittags an und hält eine bestimmte Reihenfolge unter den Hausleuten.

 In einem unter den Papieren des verstorbenen Pastor Lunecke in Stade gefundenen Manuskript finden sich noch folgende Bemerkungen, vom Jahre 1846 datiert:

Das Fest der Gilde wird stets den Sonntag nach Johannis (24. Juni) gefeiert, doch ist der Zweck derselben sowie das Jahr, in welchem sie eingeführt worden ist, unbekannt, doch hat dieselbe wohl schon mehrere Menschenalter bestanden. Der Genuss des Biers ist die Hauptsache, auch für Zank p. p. ist eine Strafe in Bier zu geben. Nach Meinung der Bewohner von Engelschoff besteht die Gilde seit der Reformation. In früheren Zeiten wurde das Fest mit einem Gesange aus dem alten Gesangbuch eröffnet, der anfängt:“Nun bitten wir den heiligen Geist“. Auf den Wunsch des Pastor Schaars, welcher vor etwa 80 Jahren zu Horst stand, ist diese Sitte abgeschafft worden. Nach der Sage musste ein jeder welcher nicht mitsang, eine Strafe erlegen, und zwar: der Mann 1 Pfund Wachs, die Frau 1 Pfund Flachs. In Engelschoff liegen 4 erb- und eigentümliche Stücke Land. (Ein Stück wird zu 16 Morgen gerechnet), deren Besitzer eine Tonne Bier für dieses Land den 28 Gildebrüdern zu geben haben.

Diese 4 Stücke besitzen jetzt 4 Einwohner zu Engelschoff. Von 11 anderen Grundbesitzern ist eine halbe Tonne Bier zu geben und glaubt man, dass solches Zinsen wären für erhaltenes Geld, zu diesem Zwecke ausgeliehen. Die 28 Gildebrüder erhalten umschichtig, einen Hof stets überspringend, je zwei und zwei die Gilde in ihrem Hause, so dass sie alle 14 Jahre herumkommt. Die jungen Personen, welche die Gilde in ihrem Hause haben, geben am Abend nur Bierkalteschalen weiter nichts.

Um Ordnung zu halten, werden alle 3 Jahre ein Ältermann sowie 2 Gildegeschworene gewählt, und zwar durch Stimmenmehrheit. In der Regel bleiben die gewählten Männer mehrere Jahre. Der jetzige Ältermann ist solches schon 14 Jahr gewesen. Diese 3 Männer wählen unter den jungen Leuten 4 unverheiratete Burschen aus, welche Friedebürgen genannt werden, und welche dafür zu sorgen haben, dass kein Zank und Streit entsteht.

Auch haben diese 4 Friedebürgen den Gildebaum herbeizuschaffen und vor dem Hause aufzurichten. Der Ältermann hat die Anordnung des Festes zu besorgen, danach zu sehen, dass kein Feuer im Hause ist, ferner dass die Männer nur aus Pfeifen rauchen, welche mit einer Kapsel versehen und dergleichen auch muss er darauf achten, dass die erforderliche Zahl Bierkrüge, nämlich 9 Stück, aus denen nur getrunken wird, vorhanden sind.

Es darf auch keiner der Teilnehmer einen Stock oder ein Messer mitbringen, welches streng verboten ist. Bis Sonnenuntergang, oder solange die Geschworenen sowie der Ältermann auf der Gilde sind, hat solcher streng darauf zu halten, dass Männer und Frauen getrennt sitzen, nämlich auf der einen Seite der Diele die Männer auf der anderen Seite die Frauen. Wer dagegen handelt, wird, wenn er der Aufforderung der Geschworenen nicht Folge leistet, in eine Strafe von ein Achtel bis eine Tonne Bier genommen.

Oben im Hause der großen Tür gegenüber wird ein mit Kränzen und Blumen geschmückter Tisch gesetzt, an welchen der Ältermann und die beiden Geschworenen Platz nehmen. Jeder dieser 3 Männer erhält drei große Krengel (Kringel/Brezel lt. Duden), welche vor demselben auf dem Tisch gelegt werden. Der Ältermann ist mit einer Flegelklappe bewaffnet, womit er auf den vor ihm stehenden Tisch schlägt, wenn etwa Lärm entstehen sollte, oder er sich Gehör verschaffen will. An der Gilde können auch Personen teilnehmen, welche nicht zu den 28 Gildebrüdern gehören, doch müssen solche von einem Gildebrudereingeführt werden, welcher für dieselben Bürgschaft zu leisten hat.

Noch einen Gildespruch ist der Schreiber dieses in der Lage mitzuteilen:

In den 30 Jahren, als der vorstehend erwähnte Ältermann Hinrich Jarck den Vorsitz hatte, erhob sich der Ältermann, mit ernstem Gesicht, schlug mit dem Dreschflegel über den Tisch und rief:

Gildelüed un all de in n Engelschopp betimmert und betüget sünd! Ji weet woll, Lüed, watt in Gildehus Wies' und Bruk ist; so wiet äs de Schall von de Flegelklappen geiht, so wiet geiht ook mien Gerechtigkeit hüüt. Elkeen, de'n Meß [Messer] to hülp hett, de hett datt bi mi afiogeben, un wer da Schaden mit deiht, den wert dat Meß dür de Hand slagen und mit den Reep, de ünnern Disch ligt, wart he bit Meß in de Höcht trocken an Gildeboom. Un nu Lüed, möt wi Friedensbörgen küren; jü weet, da möt Lüed sien, de man een Paar Tuffeln vorn Bed stahn heft (das heißt, die unverheiratet sind).

Der Unterzeichnete, der einmal eine Gildefeier in den 1830er Jahren auf dem Hofe seiner Vorfahren (Hofbesitzer Diedrich Jarck zu Wasserkrug in Gemeinschaft des damaligen Besitzers des Mühlenmoorhofes Herrn Dr. med. Sander in Stade) besuchte, hat namentlich seine Freude an dem Werfen der Mädchen mit Brennnesseln gegen die ihnen gegenübersitzenden Mannsleute.

Herr Kapitän von Issendorf in Himmelpforten weiß endlich noch folgende Mitteilung zu machen:

Auf den Herd des Hauses, in dem Gilde abgehalten wurde, legte man einen „Grasplacken“ zum Zeichen, dass auf demselben kein Feuer angemacht werden durfte.

Als im Jahre 1859 die Gilde aufhörte, stimmten gegen die Auflösung 3 Gildeleute. Es wurde der Vorschlag gemacht, dass die Besitzer des Gildelandes das Geld, das sie bislang am Gildetage für Bier ausgeben, jährlich den Armen in Engelschoff geben sollten. Diese weigerten sich aber das Geld für einen anderen Zweck als den ursprünglichen herzugeben.

Schon vorher war die Gilde einmal 7Jahre lang nicht abgehalten worden. Ein Ältermann Jarck sorgte dafür, das sie nicht in Vergessenheit geriet. Er sagte, der Gildetag müsse gehalten werden, „so langen de Hahn kreit und de Wind weit“. Er bestand darauf, dass in einem Jahre an 7 Sonntagen nacheinander die Gilde abgehalten wurde, um die 7 Jahre, an denen sie nicht gewesen war, wett zu machen.

Stade        Karl Jarck

 Auszug aus dem Stader Archiv Neue Folge Heft 2 Jahrgang 1912, Seite 77

Eine Gilde in Engelschoff III.

Im Königlichen Archiv in Hannover (Br. Ar. Des. 105a   Fach 399, Nr. 36) fand ich noch einige Akten, die die auf diese in voriger Archiv Nr. besprochene Gilde Bezug haben. Ein Brief vom 28. Juli 1705 ist an die Regierung in Stade gerichtet, und lautet wie folgt:Es ist vor 40, 50 und mehr Jahren all hier in der Bauernschaft Engelschoff eine gewisse Brüderschaft, wo rinnen drey Personen Jährlich eine Tonne Bier geben, gehalten worden. Zu dieser Brüderschaft sind der Herr Amtmann, der Prediger, der Küster, der Voigt und Holzvoigt mit invitiert (eingeladen).

Es hat aber niemand weder ein Meßer bei sich haben, weder einen stock noch ein ander instrument womit geschadet werden könne in der Versammlung mitbringen dürfen. E ist dieselbe mittags um 1 Uhr angefangen Vermittelst Vorheriger Betunge eines Vatter Unsers und Singung des gesanges Nun bitten wir den heiligen Geist; wehrt bis zum Sonnenuntergang und darff kein Mensch bei wehrender collation ein ungezogen wort rehden, sich auch keine mannes persohn bey einem Mädgen niedersetzen in Summa es muß alles gantz ehrbar dabey zugehen und darff weder in den Einen noch anderen einige unlust erreget werden. Itzo (Jetzt) aber weigern sich diejenigen welche die Tonne Bier geben müssen und zwar nicht so sehr der Tonne Bier selber als daß sie itzo zu teurer ist wie Vorhin gewesen. Vermeinen mit Erlegung von 7 Mark wie vorhin die Tonne gegolten sich loß zu machen, da uns doch gleich sein muß wann in anderen Jahren das Bier auf unter 7 Mark gekommen; wie nun diese Brüderschaft von so langen Jahren hero bereits gewesen, worinnen gewisse Elderleute bestellet die acht haben müssen das alles erbar zu gehet, So sollte uns  wol sehr schmertzen, wenn diejenigen so die Tonne Bier geben müssen alß davon drey sind, bei deren Höfen es von mehr als 50 Jahren onus (Brauch) gewesen, sich itzo bloß durch eine Caprice (Laune) davon loß machen und die ganze Brüderschaft über den Hauffen werfen sollten. Bitten also gehorsamst dero Exellentz auch hoch wohl geb. Wohlgeb. Gestr. Herren den Herren Amptmann von Leutschbergen zu befehlen daß er uns bey dieser löblichen Gewohnheit schützen und die schuldigen zu ihrer gebür in anschaffung einer tonne Bier anweißen solle und müsse alß worüber wir dero Exellenz ……

Elderleute und interessierte Brüder  bey der Brüderschaft in Engelschoff.

Eine ähnliche Brüderschaft wie diese in Engelschoff hat auch in Großenwörden bestanden, was aus folgenden Brief des dortigen Richters Johann Schröder hervorgeht, den ich unter denselben Akten im Königlichen Archiv in Hannover fand.

Weil der Amtmann von Leutschbergh von mir begehret zu wissen wie Es sich in großen wörden mit der gilde oder Brüderschaft verhält so berichte ich meinen hochgeehrten Herren Apmtmann das Anno 1674 das letzte Mahl gilde in Großen wörden ist gehalten worden und sindt Nach gehends nicht willig gewesen den gilde wieder an Zuf angen sondern wolten das Geld anderwerts zu den schleußen baue oder Teichschauung anwenden, damit der Bauernschaft besser gedient ist. Soches atestire ich hiermit.

Großenwörden d. 12. Jan Anno 1706

Gez. Johann Schröder

Richter und Teichgreffe

Der Pastor von Horst Martin zum Felde verlangte dann in einem Schreiben vom 14. Januar 1706 die Brüderschaft in Engelschoff solle wegen vorgekommener Ausschreitungen gleichfalls eingehen. darauf beschwerte sich die Brüderschaft in einen Schreiben vom 5. Juli 1706 beim General-Gouverneur und dieser befahl dem Amtmann von Leutschberg in Himmelpforten die Brüderschaft nach alter Sitte bestehen zu lassen.

von Issendorf, Himmelpforten